In diesem Abschnitt soll geklärt werden, wie die Anzahl der zugreifenden Stationen sich in einem leitungsvermittelnden System auf die Auslastung eines Übertragungskanals auswirkt und die Verteilung des Verkehrs den Durchsatz eines ISDN-LAN beeinflußt.
Lokale Netzwerke sind oft sehr leistungsfähig. Ihre Übertragungskapazität variiert in einem Bereich von 200 kbit/s bis 100 Mbit/s. Das beruht zum einen auf der Beschaffenheit des Übertragungsmediums, zum anderen auf der zugrundeliegenden Topologie und den damit verbundenen Methoden der Zugriffskontrolle. Bei der für LANs am häufigsten verwendeten Topologie eines Busses ist es aufgrund der Diffusionseigenschaft üblich, die Zugriffskontrolle mit Hilfe eines CSMA-Verfahrens zu regeln.
Abb. 10.1.1: Typische Leistungscharakteristik eines LAN
Über einen Bus kann immer nur ein Paket gleichzeitig übertragen werden. Der Datenverkehr auf dem Medium ist daher halbduplex. Zur Beurteilung des erzielbaren Datendurchsatzes und der Leistungsfähigkeit eines LAN muß die Kanalauslastung und die mittlere Verweildauer[1] berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist die Verwendung eines CSMA-Verfahrens nur dann zu empfehlen, wenn das Verhältnis von Ausbreitungsdauer der Signale zur Nachrichtendauer viel kleiner als 1 ist[2]. LANs mit CSMA-Zugriffskontrolle besitzen einen stabilen Bereich. Übersteigt die Anzahl der zugreifenden Stationen eine bestimmte Obergrenze, so nimmt der Durchsatz des LAN rapide ab und sinkt schließlich gegen Null (vgl. Abb. 10.1.1). Bei niedriger Last wird jedoch ein schneller Zugang zum Übertragungsmedium ermöglicht[3]. Die CSMA-Methode empfiehlt sich aufgrund des stochastischen Zugriffs nicht für zeitkritische Anwendungen. Für genauere Betrachtungen sei an dieser Stelle auf die Literatur verwiesen[4].
Verglichen mit der Übertragungskapazität eines herkömmlichen Übertragungsmediums für ein LAN erscheint die Übertragungsleistung eines ISDN-Kanals von 64 kbit/s unzureichend. Dennoch haben ISDN-Kanäle gegenüber anderen Übertragungsmedien für LANs einige Vorteile:
+ Dem Benutzer steht ein freier Kanal mit 64 kbit/s vollduplex zur Verfügung.
+ Da es sich bei ISDN-Kanälen um Punkt-zu-Punkt-Verbindungen handelt, entfällt jeglicher Protokolloverhead für eine Zugriffskontrolle.
+ Bei steigender Zahl von zugreifenden Stationen sinkt die Ausnutzung eines Kanals nicht, wie bei LANs mit persistentem CSMA-Algorithmus, wieder ab. Ist eine Leitung besetzt, so wiederholt eine Station den Versuch solange, bis die Leitung frei wird. Warten mehrere Stationen, so hat mit Freiwerden der Leitung immer eine Station mit dem Verbindungsaufbau Erfolg. Da abgewiesene Anrufe die Übertragung nicht stören und Kollisionen ausgeschlossen sind, nähert sich die Übertragungsleistung eines ISDN-Kanals (Auslastung) mit steigender Anzahl der zugreifenden Stationen der 64-kbit/s-Grenze[5] (vgl. Abb. 10.1.2).
Abb. 10.1.2: Kanalausnutzung in Abhängigkeit von der Anzahl der Stationen
+ Über eine CPBX ist es möglich, daß paarweise mehrere Stationen gleichzeitig miteinander Verbindungen unterhalten (Abb. 10.1.3). Dadurch kann die Gesamtübertragungsleistung eines ISDN-LAN auf ein Vielfaches der Kapazität eines einzelnen Kanals ansteigen (n * 64 kbit/s). Die Übertragungsleistung des Gesamtsystems kann daher durchaus mit der eines herkömmlichen LAN konkurrieren[6].
Abb. 10.1.3: Mehrere aktive 64 kbit/s-Verbindungen über eine ISPBX
Die Nutzung der Verbindungsfähigkeit einer CPBX für ein LAN hat jedoch auch einige schwerwiegende Nachteile:
- In einem LAN konzentriert sich der Verkehr auf einige wenige Stationen, wie Server oder Drucker (Abb. 10.1.4). Bei einer Busstruktur beeinträchtigt eine Konzentration des Verkehrs die Leistungsfähigkeit des Netzwerkes nicht zusätzlich, da es keinen Unterschied macht, an welche Station ein Paket auf dem Bus gerichtet ist[7].
Abb. 10.1.4: Konzentration des Verkehrs auf eine Station
Bei einem LAN jedoch, das auf einer leitungsvermittelnden Struktur basiert, können bei gleichzeitigem Zugriff mehrerer Stationen auf ein Gerät unter Umständen sehr langen Wartezeiten (Besetzt-Zeiten) auftreten, während die Gesamtübertragungskapazität der CPBX und die Zentralstation (Server) weitgehend ungenutzt bleibt. Der Vorteil einer CPBX, mehrere Kanäle gleichzeitig aufrechterhalten zu können, kommt durch die Konzentration des Verkehrs im LAN kaum zur Wirkung.
- Ein ISDN-Kanal kann unter Umständen sehr lange besetzt sein. Es ist daher nicht absehbar, wann einer Station der Zugriff auf eine Ressource im Netz ermöglicht wird.
- Wie in Abschnitt 10.2 gezeigt wird, steht die Zeit für einen Verbindungsaufbau oft in einem starken Mißverhältnis zur reinen Datenübertragungszeit.
Der Zugriff auf einen Fileserver oder einen Drucker verursachtet eine Verkehrskonzentration, wie sie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurde. Dennoch unterscheiden sich die Zugriffe auf Fileserver und Drucker:
v Ein Drucker kann stets nur einen Druckauftrag (Sitzung) erledigen. Daher müssen auch in einem herkömmlichen LAN die Stationen warten, bis der Drucker verfügbar ist. Die Wartezeit, die durch einen belegten Kanal zum Drucker entsteht, ist mit der Wartezeit auf den Drucker gleichzusetzen. Ein Unterschied besteht jedoch in der Reihenfolge der Annahme der Druckaufträge. In einem herkömmlichen LAN kann das Druckprotokoll die Reihenfolge der Druckaufträge, die den Drucker erreichen und zurückgestellt werden müssen, feststellen und diese nacheinander abarbeiten[8]. In einem ISDN-LAN ist das nicht möglich, da der Drucker während des Druckvorgangs nicht erreicht werden kann. Drucken wird jeweils die Station, die zufällig nach Freiwerden des Kanals als erstes eine Verbindung erhält.
Drucker sind sehr langsame Peripheriegeräte. Die Geschwindigkeit von 64 kbit/s ist für das Drucken durchaus ausreichend. Der Unterschied in der Übertragungszeit der Daten zwischen 64 kbit/s bei ISDN-Kanälen und 0,2–100 Mbit bei herkömmlichen LANs ist daher nicht ausschlaggebend für die Gesamtdauer eines Druckauftrages.
v Demgegenüber kann ein Diskserver mehrere Sitzungen gleichzeitig aufrechterhalten. Dadurch teilen sich die Stationen in einem herkömmlichen LAN die Leistung des Servers und die Übertragungskapazität des Busses. Jede Station wird jedoch vom Server bedient. Greift eine Station über ein ISDN-LAN auf einen Server zu, so ist die Leitung zum Server besetzt. Wünscht eine weitere Station auf den Server zuzugreifen, muß sie warten, bis die Leitung zum Server frei wird. Dann jedoch steht dem Klienten der Server und die Übertragungskapazität von 64 kbit/s exklusiv zur Verfügung.
Der Nachteil der geringeren Übertragungskapazität eines ISDN-Kanals gegenüber einem Bus wird zum Teil durch die Fähigkeit des ISDN, mehrere physikalische Verbindungen gleichzeitig unterhalten zu können, aufgewogen. Da sich der Verkehr in einem LAN typischerweise auf wenige zentrale Stationen konzentriert, wirkt sich diese Fähigkeit allerdings kaum positiv auf die Gesamtübertragungsleistung eines ISDN-LAN aus.
Zur Erhöhung des Durchsatzes ist es notwendig, durch das Aufrechterhalten von Verbindungen den Protokolloverhead, der durch die Diskrepanz zwischen der Zeit für einen Verbindungsaufbau und für die Datenübertragung entsteht, zu minimieren. Andererseits muß eine Monopolisierung von Netzwerk-Ressourcen vermieden werden. Der folgende Abschnitt betrachtet daher den Durchsatz und die Monopolisierung in Abhängigkeit von Paketlänge und Verbindungs-Timeout.
Die oberen Schichten des AppleTalk nehmen die Verbindungslosigkeit der unteren Schichten implizit an. Mehrere logische Verbindungen lassen sich über ISDN-Kanäle jedoch nur durch ständigen Verbindungswechsel realisieren. Da ein Verbindungswechsel Zeit beansprucht, verschlechtert sich der Durchsatz erheblich. Im Normalfall einer AppleTalk-Sitzung wird allerdings nur mit einem Gerät gleichzeitig verhandelt. Eine Verbindung kann daher länger bestehen bleiben. ISDNLAP besitzt eine retardierende objektorientierte Verbindungssteuerung, die diesen Umstand berücksichtigt. Wie diese sich auf den Durchsatz eines ISDN-Kanals auswirkt, wird im folgenden gezeigt.
Bei einer Übertragungsleistung von 64 kbit/s werden 8192 Byte/s, d.h. 1 Byte in 122 µs (tB), übertragen. Die Länge eines Paketes wird im folgenden mit lP bezeichnet. Die Übertragungszeit für ein Paket der Länge lP bei 64 kbit/s ergibt sich dann zu lP * tB. Die Zeit für einen Verbindungsaufbau wird mit tV bezeichnet. Das Verhältnis d der Paketübertragungszeit zur Gesamtübertragungszeit errechnet sich nach folgender Formel:
Wie man sehr schnell erkennt, wirkt sich eine lange Dauer des Verbindungsaufbaus und eine kurze Paketlänge negativ auf den Durchsatz aus. Die Entwicklung des Durchsatzes d zu verschiedenen Zeiten für den Verbindungsaufbau und unterschiedlichen Paketlängen verdeutlicht Abbildung 10.2.1.
Aus dem Verlauf der Kurven ist ersichtlich, daß sich der Durchsatz mit steigender Paketlänge und abnehmender Dauer eines Verbindungsaufbaus erhöht. Ein LAP-Datenpaket enthält jedoch maximal 600 Bytes an Nutzdaten, so daß die Paketgröße nicht beliebig gesteigert werden kann. Es bleibt die Möglichkeit, die Zeit für einen Verbindungsaufbau zu verbessern und die Anzahl der Pakete, die pro Verbindung übertragen werden, zu optimieren. Die Zeiten für einen Verbindungsauf- und -abbau werden aber weniger durch die Implementierung als durch das Netz determiniert. Hinzu kommt, daß durch das Fehlen des Indicate-Signals nicht genau festgestellt werden kann, wann eine Verbindung geschaltet ist und wann sie wieder abgebrochen wird.
Bei der Übertragung von 100 kByte werden mindestens 170 Pakete der Maximallänge 600 übertragen. Die reine Übertragungszeit bei 64 kbit/s beträgt dabei 12,5 Sekunden. Wird für jedes Paket eine eigene Verbindung aufgebaut und eine durchschnittliche Zeit für einen Verbindungsaufbau von nur 0,5 Sekunden angenommen, so benötigt allein der Verbindungsaufbau für diese 170 Pakete 85 Sekunden. Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den Zeiten für den Verbindungsaufbau und der reinen Übertragungszeit, die so nicht akzeptiert werden kann (vgl. Abb. 10.2.1).
Der Wechsel einer Verbindung mit ISDNLAP dauert etwa 1,4 Sekunden. Er wird dann notwendig, wenn nacheinander Pakete an verschiedene Zieladressen zu übertragen sind. Der Aufbau einer neuen Verbindung benötigt etwa 0,85 Sekunden. Diese Zeiten sind durch das Netz bestimmt und lassen sich nicht wesentlich verbessern.
Abb. 10.2.1: Der Durchsatz in Abhängigkeit von Paketlänge und Dauer des Verbindungsaufbaus
Die einzige Möglichkeit, den Durchsatz zu steigern, ist daher die Anzahl der übertragenen Pakete pro Verbindung zu erhöhen. Im Normalfall wird nicht nur ein einzelnes Paket an eine Station übertragen, sondern es findet ein Dialog statt, der aus mehreren Anfrage- und Antwortpaketen besteht. Es liegt daher nahe, eine Verbindung nach der Übertragung eines Paketes an einen Knoten nicht sofort wieder abzubauen, da die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein weiteres Paket an denselben Knoten gerichtet ist oder ein Antwortpaket erwidert wird, sehr hoch ist. Diese Art der Verbindungssteuerung wird durch das ISDNLAP verwendet. Es wird versucht, jeden überflüssigen Verbindungsaufbau zu vermeiden.
Abb. 10.2.2: Durchsatzentwicklung der retardierenden objektorientierten Verbindungssteuerung
Wie aus Abbildung 10.2.2 hervorgeht, ist der Durchsatz bei einer Paketlänge von maximal 600 Zeichen und einer Zeit von 0,5 Sekunden für einen Verbindungsaufbau sehr gering. Werden durch den verzögerten Abbau der Verbindung allerdings mehrere Pakete übertragen, so erhöht sich der Durchsatz erheblich. Während des Kopierens einer Datei vom AppleShare-Fileserver bleibt unter Umständen die Verbindung die ganze Zeit bestehen. Dadurch verliert die Zeit für den Verbindungsaufbau an Gewicht und der Durchsatz erhöht sich beträchtlich[9].
Die retardierende objektorientierte Verbindungssteuerung bewirkt gegenüber einer rein objektorientierten eine erhebliche Steigerung des Durchsatzes eines ISDN-Kanals.
Um die Wahrscheinlichkeit einer Rufkollision zu betrachten, muß ein vereinfachtes diskretes Modell zu Grunde gelegt werden. So wird die Zeitachse in Intervalle der Länge 1 unterteilt. Zu jedem Zeitpunkt greifen Stationen jeweils mit der Wahrscheinlichkeit p in einem Zeitintervall I auf eine Ressource zu. Die Zugriffe der Stationen seien jeweils binomialverteilt. Die Länge des Zeitintervalls, das für die Übertragung eines Datums benötigt wird, bezeichnen wir mit n. Sie resultiert aus der Summe der Zeitintervalle I für den Verbindungsaufbau tV, für die Datenübertragung tD und für den Timeout tT.
Somit ergibt sich für den Zugriff einer Station in einem Zeitintervall der Länge n folgende Wahrscheinlichkeit:
Beim Zugriff von s Stationen auf eine Ressource mit der Wahrscheinlichkeit p0 in einem Zeitintervall der Länge n erhält man für das Auftreten einer Kollision, d.h. dafür, daß mindestens zwei Stationen im Zeitintervall n senden, folgende Wahrscheinlichkeit:
Um die Entwicklung der Wahrscheinlichkeit P(Kollision) zu verdeutlichen, betrachten wir eine Konfiguration mit 10 Stationen, von denen jede mit der Wahrscheinlichkeit 1/1000 in einer Zeiteinheit (Sekunde) auf eine Ressource zugreift. Für den Verbindungsaufbau wird eine Dauer von 1 Zeiteinheit angenommen. Die Entwicklung wird jeweils bei der konstanten Paketlänge 10, 100 und 200 betrachtet. Die Länge des Timeouts hingegen variiert.
Wie aus Abbildung 10.2.3 ersichtlich, steigt mit zunehmender Länge der Übertragung und des Timeouts die Wahrscheinlichkeit einer Rufkollision. Ein konstanter Timeout verliert mit zunehmender Übertragungsdauer an Einfluß auf Kollisionen. Bei langen Übertragungsphasen ist bereits ohne Timeout die Wahrscheinlichkeit einer Kollision sehr hoch. Wesentlichen Einfluß besitzt der Timeout nur dann, wenn die Übertragungsphase sehr kurz und der Timeout um ein Vielfaches länger ist. Da der Timeout bei den meisten Transaktionen im Vergleich zur reinen Datenübertragungszeit kurz ist, ist er für das Auftreten von Kollisionen nicht entscheidend.
Abb. 10.2.3: Die Wahrscheinlichkeit einer Rufkollision in Abhängigkeit von Paketlänge und Timeout
Abschließend ist anzumerken, daß die Timeouts nicht zu lang sein dürfen. Andernfalls bricht die Verbindung nicht mehr ab und es kommt zur Monopolisierung einer Ressource. Das ist beispielsweise bei AppleShare der Fall, da periodisch Kontrollpakete ausgetauscht werden. Der Timeout muß kürzer sein als die Zeit zwischen zwei Kontrollpaketen. Andererseits darf der Timeout auch nicht zu kurz gewählt werden, sonst bricht die Verbindung unnötig ab und der Durchsatz verschlechtert sich. So wird zum Beispiel vom Chooser im Abstand von 2 Sekunden ein LkUp-Paket auf die Leitung gesendet. Ein Timeout von nur 1 Sekunde würde somit einen ständigen und unnötigen Auf- und Abbau von Verbindungen verursachen.
Da der Timeout der retardierenden objektorientierten Verbindungssteuerung, verglichen mit der reinen Datenübertragungzeit bei Transaktionen, relativ kurz gewählt ist, beeinflußt er das Auftreten von Kollisionen nur unwesentlich.
Die Übertragungsleistung des ISDN-AppleTalk läßt sich durch Vergleich mit AppleTalk bei konkreten Anwendungen beurteilen. Im folgenden wird daher die Leistung bei der Übertragung von Dateien beim Remote Disk Access mit AppleShare betrachtet.
Gemessen wird der Durchsatz, d.h. die bei einer Übertragungsrate von 64 bzw. 230 kbit/s dem Benutzer tatsächlich zur Verfügung stehende Übertragungskapazität. Dabei ist zwischen dem relativen und dem absoluten Durchsatz zu unterscheiden:
Der absolute Durchsatz eines Übertragungskanals gibt an, welche Datenmenge pro Zeiteinheit über den Kanal übertragen werden kann. Für den Vergleich des ISDNLAP mit ALAP ist er weniger geeignet, da er keinen Aufschluß über die Qualität der Implementierungen gibt. Im Falle des Kopierens einer Datei ist weniger der absolute Durchsatz als vielmehr die Zeit, die für das Kopieren einer bestimmten Datei benötigt wird, interessant. Der absolute Durchsatz da ergibt sich wie folgt:
Der Prozentsatz der Übertragungsrate eines Kanals, der dem Benutzer effektiv zur Verfügung steht, wird als relativer Durchsatz dr bezeichnet. Er ist besonders für den Vergleich der Effektivität des ISDNLAP und des ALAP geeignet. Daher wird im folgenden der relative Durchsatz des AppleTalk und des ISDN-AppleTalk verglichen. Dieser ergibt sich aus dem absoluten Durchsatz und der Übertragungsrate des Kanals:
Der Durchsatz beim Kopieren von Dateien über AppleShare wird durch folgende Faktoren beeinflußt:
v Der Übertragungsrate des verwendeten Übertragungskanals. Sie liegt bei AppleTalk bei 230 kbit/s, während die Kapazität eines ISDN-Kanals 64 kbit/s beträgt.
v Dem Protokolloverhead durch den AppleTalk Protocol Stack. Er entsteht dadurch, daß zusammen mit den Nutzdaten Kontrollinformationen (Flags, Protocol Header, Prüfsumme) und Kontrollpakete übertragen werden. Der Overhead bei der Übertragung eines Datums wird durch das Verhältnis von Nutzdaten zu Kontrollinformation bestimmt. Er ist durch die AppleTalk-Protokolle festgelegt und kann nicht reduziert werden. Bei der Übertragung von Dateien werden ATP-Pakete ausgetauscht, die maximal 605 Bytes lang sind. Bis zu 578 Bytes davon sind Nutzdaten. Die Kontrollinformation aus Protocol Headern und Prüfsumme umfaßt 27 Bytes und mehr. Dadurch ergibt sich ein Protokolloverhead von mindestens 4,46 Prozent. Der Protokolloverhead bei der Übertragung von Dateien über ALAP und ISDNLAP ist gleich, da beide Implementierungen dasselbe Paketformat und, bis auf das LAP, dieselben Protokolle verwenden. Der Overhead durch Kontrollpakete läßt sich nicht genau bestimmen, da er sehr stark von der jeweiligen Situation beeinflußt wird.
v Der Häufigkeit von Übertragungsfehlern. Übertragungsfehler durch äußere Einflüsse sind bei ISDN-Kanälen ohne Bedeutung. Die digitale Übertragung von Daten ist recht zuverlässig, wie sich im Bereich der digitalen Nebenstellenanlagen gezeigt hat[10]. Dies ist zum Teil auf die kurzen Distanzen (im Labor) zurückzuführen. Wie groß die Häufigkeit von Übertragungsfehlern im öffentlichen ISDN ist, wird sich zeigen.
Wechselwirkungen mit dem Betriebssystem können einen weitere Ursache von Übertragungsfehlern sein[11]. Da die interruptgetriebene Empfangsroutine des ISDNLAP während des Empfangs eines Paketes die Kontrolle nicht mehr an das Betriebssystem zurückgibt, können Routinen des Betriebssystems, wie VBL-Tasks oder andere Interruptserviceroutinen, den Empfang nicht stören. Pakete können nur verloren gehen, wenn das Auslösen des Interrupts beim ersten ankommenden Zeichen eines Paketes verhindert wird. Das kann zu einem Overrun des FIFO-Puffers im SCC führen. Da das AFP ein Klient des ATP ist, wird der Verlust von Datenpaketen bei der Dateiübertragung durch das ATP erkannt und behoben. Durch die relativ langen Timeouts des ATP sinkt dabei allerdings der Durchsatz beträchtlich. Bei der Übertragungsrate von 64 kbit/s eines ISDN-Kanals treten normalerweise keine Fehler auf.
v Die Leistungsfähigkeit der Workstation und des Servers, insbesondere die des Dateisystems.
v Die Zugriffszeit der verwendeten Massenspeicher[12]. Der Server verwendet daher einen sehr großen RAM Cache.
v Die Größe der Datei, die übertragen wird. Je kleiner die Datei, desto größer wird der Protokolloverhead durch Informationspakete.
Für die Leistungsmessung wurde zunächst nur eine Workstation mit einem AFPServer verbunden. Als Server diente ein Macintosh II[13], als Workstation ein Macintosh Plus. Zur Verdeutlichung des Einflußes des Dateisystems wurden die übertragenen Dateien auf RAMDisk und auf Diskette abgelegt. Zusätzlich wurden die Zeiten bestimmt, die für das lokale Kopieren von Dateien benötigt werden. Alle gemessenen Werte sind in Sekunden angegeben (Abb. 10.3.1).
Datei |
MS Word 4.0/683 kBytes |
RMaker/28 kBytes |
||
Netzwerk |
RAMDisk |
Diskette |
RAMDisk |
Diskette |
lokales Kopieren[14] |
13 |
83 |
2 |
8 |
AppleTalk |
39 |
105 |
4 |
9 |
ISDN-AppleTalk |
114 |
188 |
8 |
13 |
Abb. 10.3.1: Kopieren einer Datei über AppleShare bei unterschiedlichen Übertragungsmedien
Wie die Meßwerte aus Tabelle 10.3.1 und die Abbildung 10.3.2 verdeutlichen, nimmt das Kopieren auf RAMDisk einer 683 kByte Datei wie MS Word 4.0 mit ISDN-AppleTalk etwa 2,9 mal mehr Zeit in Anspruch als mit AppleTalk. Beim Kopieren einer großen Datei und einem Timeout von vier Sekunden bricht während des Schreibens auf Diskette die Verbindung zum Server ab. Dennoch verbessert sich beim Kopieren auf Diskette das Verhältnis zugunsten von ISDN-AppleTalk auf 1 : 1,8. Dies zeigt, daß der eigentliche Flaschenhals bei Remote Disk Access hier das Dateisystem ist.
Abb. 10.3.2: Vergleichende Darstellung der Zeiten verschiedener Übertragungsarten
Bei kleineren Dateien, wie dem RMaker mit 28 kByte, verschiebt sich des Verhältnis ebenso zugunsten von ISDN-AppleTalk. Der absolute Durchsatz des AppleTalk liegt hier zwischen 25 486 bit/s beim Kopieren des RMakers auf Diskette und 143 465 bit/s beim Kopieren von MS Word auf RAMDisk. ISDNLAP erreicht dabei einen absoluten Durchsatz zwischen 17 644 bit/s und 49 080 bit/s.
Um den relativen Durchsatz zu bestimmen, betrachtet man die Übertragungsleistung des Kanals und die bei der Übertragung von Dateien gemessenen Werte. Die Übertragungsrate der AppleTalk-Hardware ist um den Faktor 3,59 höher als die eines ISDN-Kanals. Dadurch müßte das Kopieren von MS Word 4.0 mit ISDN-AppleTalk auf RAMDisk eigentlich 140,15 Sekunden dauern. Im günstigsten Fall, d.h. bei der Übertragung von MS Word auf RAMDisk, erreicht AppleTalk ohne Berücksichtigung des Dateisystems einen relativen Durchsatz von 62%, ISDN-AppleTalk hingegen 75%. Bei ISDN-AppleTalk kommt der Protokolloverhead verglichen mit der Übertragungszeit nicht so sehr zum Tragen. Er verzehrt lediglich 25% der Übertragungsleistung. Bei kleineren Dateien schneidet AppleTalk noch schlechter ab, da die Übertragungszeit verglichen mit dem Verwaltungsoverhead gering ist (vgl. Tabelle 10.3.3).
Datei |
ISDN-AT |
AppleTalk |
64 kbit/s |
230 kbit/s |
MS Word 4.0 |
114/101 |
39/26 |
85.32 |
23.76 |
RMaker |
8/6 |
4/2 |
3.49 |
0.97 |
Abb. 10.3.3: Der Protokolloverhead von ISDN-AppleTalk und AppleTalk
Betrachtet man den relativen Durchsatz unter Berücksichtigung der Zeiten, die das Dateisystem für das lokale Kopieren einer Datei benötigt[15], so ergibt sich ein wesentlich besserer Durchsatz für beide Übertragungsmedien. Für ISDN-AppleTalk ergeben sich hier 85%, wogegen AppleTalk 91% erreicht. Dadurch wird deutlich, wie sehr das Dateisystem besonders bei hohen Übertragungsraten den Durchsatz beeinflußt.
Datei |
ISDN-AT |
AppleTalk |
MS Word 4.0 |
140 |
48 |
RMaker |
8 |
4 |
Abb. 10.3.4: Übertragungsleistung mit Macintosh Plus als Server und RAMDisk
Dies zeigt sich auch, falls ein Macintosh Plus als Server verwendet wird[16]. Die Übertragungsleistung von AppleShare verringert sich erheblich (vgl. Abb. 10.3.4). Es ist also wichtig, einen leistungsfähigen Rechner als Server zu verwenden. Bei kleineren Dateien ist die Geschwindigkeit des Servers nicht entscheidend (Caching).
Datei |
MS Word 4.0/683 kBytes |
RMaker/28 kBytes |
||
Netzwerk |
RAMDisk |
Diskette |
RAMDisk |
Diskette |
AppleTalk |
17 |
23 |
6 |
9 |
ISDN-AppleTalk |
45 |
50 |
12 |
16 |
Abb. 10.3.5: Starten einer Applikation bei unterschiedlichen Übertragungsmedien
Neben dem Übertragen von Dateien erlaubt AppleShare auch das Anstarten von Applikationen auf dem Server. Dabei werden die Zeiten für den Aufruf von Anwendungen über unterschiedliche Übertragungsmedien gemessen (siehe Tabelle 10.3.5). Da beim Starten einer Applikation Teile des Betriebssystems geladen werden, muß auch das Volume berücksichtigt werden, auf dem sich das System befindet. Die hier gemessenen Zeiten zeigen jedoch, daß das Medium, auf dem sich das System befindet, weniger Einfluß als beim Kopieren von Dateien besitzt. Die Zeiten für das Anstarten einer Applikation über ISDN-AppleTalk sind dabei 1,8 bis 2,6 mal länger als die Zeiten über AppleTalk.
Bisher wurde stets nur der Zugriff einer einzelnen Station auf den Server betrachtet. Greifen jedoch mehrere Stationen gleichzeitig auf einen Server zu, so unterscheiden sich AppleTalk und ISDN-AppleTalk erheblich. AppleTalk erlaubt den gleichzeitigen Zugriff mehrerer Stationen. Lediglich die Übertragungsleistung pro Station sinkt ab. Greift eine Station über ISDN-AppleTalk auf den Server zu, so ist dieser besetzt. Eine weitere Station kann erst zugreifen, wenn der Server wieder frei ist. Dadurch wird der Zugriff auf den Server sequentialisiert. Bei gleichzeitigem Kopieren von Dateien auf RAMDisk durch zwei Stationen ergeben sich folgende Werte:
Datei |
ISDN-AT |
AppleTalk |
64 kbit/s |
230 kbit/s |
MS Word 4.0 |
240 |
68 |
170,64 |
47,52 |
RMaker |
21 |
5 |
6,98 |
1,94 |
Abb. 10.3.6: Übertragungsleistung bei gleichzeitigem Zugriff von zwei Stationen
Hier ist zu beobachten, daß der Kopiervorgang bei AppleTalk nicht, wie angenommen, doppelt so lange dauert wie das Kopieren durch eine Station. Der Zeitvorteil kann durch das Caching der Dateien im Server begründet werden, da jeweils die gleiche Datei kopiert wird. ISDN-AppleTalk benötigt bei gleichzeitigem Kopieren durch zwei Stationen mehr als die doppelte Zeit der einfachen Übertragung. Das ist dadurch begründet, daß, nachdem die erste Station kopiert hat, die Verbindung gewechselt werden muß. Ein Wechsel der Verbindung kostet aber Zeit, insbesondere da der Timeout der VBL-Task abgewartet werden muß. Der Verbindungswechsel macht sich besonders bei kurzen Dateien bemerkbar, da hier der Timeout im Vergleich zur reinen Übertragungszeit relativ lang ist.
Durch die Verbindungssteuerung des ISDNLAP wird ein hoher Durchsatz erzielt, so daß über AppleShare auch mit der Übertragungskapazität eines ISDN-Kanals von 64 kbit/s Dateien in angemessener Zeit übertragen und Applikationen gestartet werden können.
[1] Die Zeit, die eine Station im Durchschnitt auf den Bus zugreift.
[2] Löffler (Lokale Netze), S. 75.
[3] Die Zeit für einen Verbindungsaufbau liegt bei etwa einer Millisekunde.
[4] z.B. Stuck, Arthurs (A Communications Network Performance Analysis Primer).
[5] Der Zeitverlust für den Auf- und Abbau einer Verbindung wird dabei nicht berücksichtigt.
[6] Kauffels (Personal Computer und lokale Netzwerke), S. 208–212.
[7] Unter der Prämisse, daß die Zentralstation eine unbegrenzte Aufnahmefähigkeit besitzt.
[8] Vgl. Printer Access Protocol des AppleTalk, Apple Computer (Inside AppleTalk), Kap. 9.
[9] Vergleiche Tabelle 10.3.1.
[10] Vgl. Froitzheim (LAN-Funktionen).
[11] Vgl. Eisenbarth (Prozessorgestützte Implementierung von HDLC-Verfahren).
[12] Die verwendeten Plattenlaufwerke besitzen eine mittlere Zugriffszeit von ca 28 ms, die RAMDisk besitzt eine Zugriffszeit von ca. 2 ms.
[13] Integer-Leistung 2 VAX MIPS, mittlere Zugriffszeit auf die interne Platte 28 ms.
[14] Die Dateien wurden jeweils von Festplatte auf RAMDisk bzw. Diskette kopiert.
[15] Die zweiten Werte in Tabelle 10.3.3 berücksichtigen die Zeiten für das lokale Kopieren.
[16] Der Rechner war mit 2,5 MByte RAM und einer Platte (mittlere Zugriffszeit: 28 ms) ausgerüstet.